TAW – The Race!

Das Rennen

Die Fakten zum Rennen: Lange Route (Cu Chulainn) 2 400 Kilometer und 29 000 Höhenmeter. Start in Derry in Nordirland, Ziel in Kinsale im Süden der Insel. Zwei Checkpoints, zwei kurze Fährfahrten, ca. 50 Teilnehmer.

Tag 1

Endlich geht´s los. Es ist 5:05 Uhr und ich radle über die Friedensbrücke von Derry. Ich und noch ca. 50 weitere Teilnehmer des TAW. 5:05 Uhr – der Start sollte eigentlich um 5:00 Uhr erfolgen und das genau bei der Friedensbrücke. Wir starten zu spät. Weil ich mich verschlafen habe? Nein, aber auch das wäre beinahe passiert. Wir starte zu spät, weil wir singen. Wir, das sind alle, wirklich alle Teilnehmer vom TAW. Sehr cool ist das. Stimmung pur! Vor dem Start lernt uns ein dänischer Teilnehmer lein Lied zum TAW und wir proben gemeinsam. Erst als wir den Refrain halbwegs erträglich vortragen können beginnt der Däne mit Song und danach startet Adrian das Rennen. Es geht los!

Fast wäre ich da nicht dabei gewesen. Susi und ich haben am Vorabend brav den Wecker gestellt. Jeder von uns aber unabhängig voneinander um eine Stunde zu spät. Liegt vielleicht an der Zeitverschiebung. Egal – so beim Einschlafen hab ich meinen Fehler bemerkt und die Weckzeit korrigiert. Alles okay. Ich war rechtzeitig am Start.

Tag eins hat also begonnen. A bisserl Wind, a bisserl Regen, eine kurze Fährfahrt, ein netter Checkpoint, ein bisserl Gravel und viel schöne Gegend. Das ist die Kurzbeschreibung. Aber natürlich gibt´s auch ein paar G´schichterln.

Zum Beispiel das mit der Fähre: Ich hab den Garmin nicht gestoppt und der hat natürlich keine Straße bzw. Route gefunden und ist abgestürzt. Da ging nix mehr am anderen Ufer der Bucht. Ich wollte aber meine Tageskilometer nicht neu starten und hab den Tacho einfach laufen gelassen. Ist halt ein Garmin und spinnt deshalb öfters. Das kenn ich schon. Manchmal ist er dann nach einer Stunde wieder da und tut so, als ob nix gewesen wäre. Diesmal nicht. Aber zum Glück treffe ich Fionn, einen Teilnehmer, der die kurze Strecke fährt. Er hat gemeint, dass unsere Strecken bis zum Checkpoint gleich sind. So sind wir gemeinsam geradelt. Prinzipiell navigiere ich ja mit meinem Garmin. Jetzt halt einmal für eine Stunde nicht.

Checkpoint haben wir gemeinsam erreicht, haben sogar ein paar Extrameter gemacht, weil wir nicht zur Hütte beim Aussichtspunkt, sondern ganz rauf zum Aussichtspunkt gefahren sind. So waren Fionn und ich die beiden Einzigen, die von oben zum Checkpoint kamen. Kurze Rast, trinken, essen, Garmin neu starten und siehe da – er funktioniert wieder und auch die Kilometer der letzten Stunde hat er mitgetrackt. Perfekt. Weiter geht´s.

Regen und Wind werden stärker. Es geht rauf zum Mamore Gap. Dort hat Ronan McLaughlin den Weltrekord im Everresting aufgestellt. Ja, der Anstieg ist steil. Ich radle gemeinsam mit Shane rauf. Ein Ire aus Limerick. Sehr netter Bursche. Er erzählt mir einiges von der Strecke. Very interesting! Er erzählt aber auch, dass er heiratet, wenn er im Ziel ankommt. Er muss deshalb schnell sein, denn er hat nur 8 Tage Zeit bis zur Hochzeit. Shane ist nach neun Tagen im Ziel in Kinsale angekommen. Über sein weiters Schicksal ist mir nichts bekannt.

 Dann ging´s in die Gravelpassage. Sehr cool. Sie beginnt auf einem Pass und geht stetig leicht und manchmal recht nett bergab. Mir gefällt´s. Außerdem bin ich mit einem Gravelbike unterwegs. Es ist nass, es regnet, der Wind bläst, es ist neblig. Kurzum: es ist perfekt für mich. Und tatsächlich geht´s recht flott dahin. Nicht bei allen – bei mir schon. Juhu!

Weiter geht´s. Sehr coole Landschaft, lässige Strände, Regen, Wolken Wind und die Straßen – nicht so schön. Meistens sind´s eher aufeinanderfolgende Schlaglöcher als Straßen. Irgendwann wirs´s dunkel und der zweite und letzte Gravelabschnitt ist zu befahren. Geht wieder recht gut und dann ist es stockdunkel. Ich bin längst allein unterwegs. Überdachte Schlafplätze gibt´s so gut wie gar nicht. Einen guten Spot für die Nacht zu finden wird a Challenge, das ist klar. Ich bin nur mit Biwaksack unterwegs. Irgendwann am späten Abend erreiche ich eine kleine Stadt und da sehe ich auf der anderen Straßenseite einen Hartplatz für Basketball, Fußball usw. Daneben ist ein kleines Gebäude und dazwischen stehen unter einem Dach Tische und Bänke. Perfekt. Hier verbringe ich die Nacht. Der Regen hat aufgehört. Unterlagsmatte wird ausgerollt, Schlafsack und Biwaksack sind bereit und ab in die Nachtruhe. Nach 1,5 Stunden ist die Luft aus der Unterlagsmatte entwichen. Ein Loch, oder mehrere? Keine Ahnung. Ich hab es jedenfalls bereits von der Anreise gewusst, aber leider weder gefunden noch kleben können. Also nachpumpen. Nach 1,5 Std. dasselbe und nach weiteren 1,5 Stunden aufstehen. Liegen bleiben ist keine Option am feuchten, kalten Beton. Sachen packen, alles aufräumen und los geht´s – mit dem Regen. Ja, nicht nur meine Pause ist beendet, auch die Regenpause ist vorbei und so starte ich mit schönem irischen Regen in Tag 2.

Tag 2

Mit der Dämmerung erkenne ich die unglaublich schöne Landschaft um mich herum. So schöne Strände, dann geht´s ins Landesinnere u d die Sonne kommt hervor. Es ist echt lässig. Ich schicke ein paar Videobotschaften in die Heimat. Der Garmin funktioniert ebenfalls. Herz was willst du mehr? Jedenfalls nicht Wind – von dem gibt´s genug. Auf jedem Hügel oder Pass ist er extrem stark und es ist teilweise recht schwer die Jacke anzuziehen. Natürlich komm ich nicht recht flott voran. Der Wind kommt tendenziell von vorne oder schräg vorne, also von Südwesten. Die Straßen sind schlecht oder sehr schlecht und bergauf geht´s langsam, weil es sehr steil ist. Bergab geht´s langsam, weil es sehr steil ist und die Straßen schmal du schlecht sind. Kurz gesagt: i bin ned schnell unterwegs, aber es ist lässig. Die Landschaft ist grandios. Das Wetter ist wechselhaft aber mir geht´s gut. Ich hab Spaß.

Am sehr späten Abend halt ich Ausschau nach einem Plätzchen für ein Nachtlager. Ich find auch was nach 298 oder 299 km. Da bleib ich. Voriges Jahr hätt ich das nicht gemacht, da wollt ich jeden Tag 300 km runterspulen. Heuer ist das anders. Heuer ist das kein Thema. Es gibt mehr und steilere Steigungen, das Wetter ist noch schlechter und der Wind kommt ständig von vorne. 300 km werden die Ausnahme sein. Mein Ziel ist die Anwesenheit bei der Finisherparty und dafür reichen 240 – 250 km pro Tag. Das wird schon gehen. Momentan hab ich ja schon einiges an Vorsprung herausgefahren. Jedenfalls hab ich meinen Schlafplatz gefunden. Ein verlassener riesiger Stall. Eine offene Halle ohne Eingangstor. Ich breite beim Eingang meine Unterlagsmatte auf und leg mich in Schlafsack und Biwaksack. Es ist kalt aber trocken. Ober mir erkenne ich ein völlig durchlöchertes Dach. Mein Blick schweift weiter ins Freie – eine Wolkenfront. Aber ich habe Glück – nicht mit der Unterlagsmatte, die verliert noch immer Luft, aber mit dem Wetter. Es kommt kein Regen. Nach gut 4,5 Stunden stehe ich auf. Mir ist kalt, die Matte will ich auch nicht noch einmal aufblasen und ich mach mich wieder auf den Weg. Weiter geht´s und damit bin ich bei Tag 3.

Tag 3

Nach ein paar Kilometer am Radl ist mir wieder warm. Langsam komm ich einigermaßen in Fahrt – die Sonne geht auf, das wird mein Tag.

Die Landschaft ist sensationell, mein Tempo nicht – aber es ist okay, ich bin gut unterwegs. Es geht der Küste entlang, bergauf, bergab. Die Halbinsel hinaus und auf der anderen Seite wieder zurück und manchmal auch auf derselben Straße und dann seh ich auch andere Teilnehmer, die mir entgegenkommen. Wir freuen uns über die Begegnung und grüßen uns freundlich. Zumindest ich freu mich, wenn ich jemanden treffe. Ich glaub die anderen auch. Manchmal trifft man auch jemanden an einer Tankstelle oder in einem Geschäft beim Essen kaufen. Meist sind es Leute auf der kürzeren Strecke, die sich mehr Zeit für Pausen nehmen. Macht nix, für ein kurzes Gespräch ist da immer Zeit und manchmal auch für einen gemeinsamen Kaffee. Ich hab keinen Stress. Ich brauch meine Pausen und dann geht´s wieder weiter. Die Vegetation am Straßenrand ist unglaublich. Die Ausblicke von der Küstenstraße sind ebenfalls unglaublich. Dass die Sonne recht oft scheint ist auch eher unglaublich. Tut sie aber. Aber nicht immer. Oft ist der Regen schneller da als ich eine Regenjacke anziehen kann und dann ist er aber auch genauso schnell wieder weg. Was immer da ist, ist der Wind. Aber das kennt man mittlerweile.

Irgendwann bin ich dann auch der Achill Halbinsel. Da hat sich unser Organisator und Boss der Veranstaltung, Adrian, was ganz lustiges einfallen lassen. Wir radeln da kreuz und quer und eine Schleife nach der anderen herum. Loops nennt er das. Bescheuert nenn ich das. Da kennst dich gar nicht mehr aus. Jedenfalls wird es Abend und Adrian und sein Rennfotograf, der heißt ebenfalls Adrian, lungern da herum und machen Teilnehmerfotos auf der Halbinsel. Weil die ist ganz besonders schön. Jedenfalls wird es dann Abend und dann hat er mich auch gefunden. Ich radle einen Pass hinauf und Adrian (der Streckenboss) film mich dabei. Wird ein Instagramm Real werden und er ist ganz begeistert, wie flott ich noch unterwegs bin. Ja eh. Es ist Abend und da geht´s bei mir meistens recht gut. Nur im Mangen zwickt´s ein bisserl, weil ich am Nachmittag einen Burger gegessen hab und der hat nicht besonders geschmeckt. Für den hab ich fast zwei Stunden lang zum Aufessen gebraucht. Jedenfalls ist es Abend, mir geht´s gut und es geht bergauf, dann bergab, zu einer gewaltig schönen Bucht. Die Sonne geht bald unter, das Licht und die Stimmung sind überwältigend. Im Gegensatz dazu ist das meine weitere Route nicht. Ich muss umdrehen und wieder zurück bergauf fahren. Dann geht´s bergab, und so geht´s halt weiter. Es wird dunkel, ich seh das Meer und die Brandung im Mondschein, Wohnmobile parken bei jeder Bucht, im Inneren brennt Licht, bei mir heraußen ist es stockdunkel, also nur neben mir, ober mir und hinter mir. Ein Stückerl vor mir ist schon der Lichtkegel meines Vorderlichtes. Es ist lässig bis, ja bis ein Schaf recht plötzlich den Lichtkegel meines Vorderlichts betritt und ich ausweiche. Bin ja zum Glück schon müde und deshalb recht langsam unterwegs – Kollision problemlos vermieden, aber… Ja aber – die Straßen sind halt nicht so gut in Irland und oft liegen da auch recht große Steine herum. Und über genauso ein Trumm bin ich gefahren – Patschen. Schlauch wechseln, dabei telefonieren mit zu Hause und dann geht´s weiter. Hunger hab ich keinen, der Burger vom Nachmittag verdirbt mir noch immer den Appetit. Aber sonst geht´s mir gut – noch. Nachtruhe. Ich find da nix gescheites und leg mich in eine Nische hinter einer Kirche. Der Wind pfeift mir um die Ohren, die Unterlagsmatte verliert immer noch zu schnell Luft, mein Sommerschlafsack war definitiv die falsche Wahl. Kurz gesagt: Die Nachtruhe verlief nicht wie geplant.

Tag 4

Nach 4,5 Stunden stehe ich auf. Ich hab schon auf das Läuten vom Wecker gewartet, damit ich endlich aus dem viel zu kalten Schlafsack raus kann und von der luftlosen Unterlagsmatte runter kann. Die Nacht war kein Spaß. Heute nehm ich mir ein Zimmer und es ist mir sowas von egal was das kostet. Wenn ich zu Mittag eines finde, dann bleib ich dort, sonst eben a bisserl später – aber ganz sicher so früh wie möglich. Ich brauch ein Bett. Ich radle zu einem Bett. Genau diese Gedanken motivieren mich zur Weiterfahrt. Ich fahre weiter. Aber nicht ohne Zähneputzen. Das geling diesmal sowas von pipifein. Jede elektrische Zahnbürste wäre neidisch. Ich hab meine Zahnbürste nur in den Mund gehalten. Mir war so kalt, dass meine Hände, Finger und auch das Kiefer so gezittert haben, dass das Zähneputzen sensationell verlief. Elektrische Zahnbürste – kein Bedarf. Aber Zahnpaste auftragen – eine Challenge. Also ich fahr jetzt weiter. Frühstück: ich hab Gebäck mit, aber absolut keinen Hunger. Ich trinke Wasser. Recht langsam und mit der Hoffnung mich beim Fahren bald wieder zu erwärmen radle ich die Küste entlang. Die Sonne geht auf, die Hoffnung stirbt. Mir ist kalt. Mein Kopf ist heiß. Ich fühl mich krank. Ich fahre so dahin. Mein Magen und auch schon a bisserl der Bauch machen Probleme. Kein Zimmer in Sicht. Ich muss über ein paar Pässe – der Wind weht. Alles wie immer. Am Nachmittag reserviert mir Susi ein Zimmer. Das ist so von der Rennleitung erlaubt und von mir erwünscht. Danke sehr. Es liegt auf meiner Strecke. Naja, leider nur fast. Wäre ich die kurze Strecke gefahren, dann ja. Dann hätte ich auch die letzten drei Pässe nicht fahren müssen. So komme ich vom Pass runter und muss die kurze Strecke 11 km zurückfahren. Prinzipiell war ich sicher, am Fuße vom letzten Pass in der Ortschaft eine Unterkunft zu bekommen. Aber alles ist ausgebucht und beim BnB und auch beim Hotel schicken sie mich recht unfreundlich weg. Im Pub kann mir auch niemand helfen. Ich fahre also die 11 km entgegen der Strecke zurück. Die schwierigsten 11 km meiner Radlerlaufbahn. 11 flache km. Es war hart. Alle 50 bis 100 Meter schau ich auf den Tacho wie weit ich noch habe. Es dauert ewig. Das Rennen ist vorbei. Ich wird wohl aufhören müssen. Ich schaff´s zum Motel. Man zeigt mir mein Zimmer. 180 € für ein Achtbettzimmer. Nachdem ich meine Seife schon irgendwo vergessen habe freu ich mich auf eine Dusche und wasche mein Gewand im Waschbecken. Allerdings alles ohne Seife. Da gibt´s keine. 180 € und keine Seife. Gegessen hab ich allerdings schon a bisserl was. Nicht ohne Folgen. Aber zuerst zu meinem Zimmer: 4 Stockbetten, zwei Duschen, ein WC. Gehört mir alles allein. Ich bin der einzige in diesem Zimmer. Vor dem Schlafengehen benutze ich das WC recht lang und ausgiebig. Das Essen ist mir nicht so gut bekommen. Ich bin müde und um 20 Uhr lieg ich im warmen Bett und schließe meine Äuglein. Ich bin glücklich. Als ich aufwache ist das Bett waschelnass. Ich hab alles naßgeschwitzt. Da kann ich nicht mehr schlafen und ich schau auf die Uhr: 21 Uhr. Ui, die Nacht dauert noch. Aber ich hab ja 180 € bezahlt. Dafür will ich was haben und ich leg mich ins nächste Bett. Das funktioniert recht gut. Ich steh zwar ein paarmal auf um mich auf´s Klo zu setzen, aber das Fieber ist weg. Draußen ist ein Gewitter der Extraklasse. Gut, dass ich ein Zimmer hab. Und ich nutze es aus. Zwei Betten benutzt, viel Zeit am Klo verbracht, eine ausgiebige Dusche genommen, Wäsche gewaschen – nur die Seife fehlt a bisserl. Aber man kann halt nicht alles haben – nicht um 180 € in Irland. Das geht nicht. Was schon geht ist, dass ich mir in der Früh Zeit nehme und einige Überlegungen anstelle bezüglich meiner kurzfristigen Zukunft.

Überlegung 1: Ist das Rennen wirklich zu Ende?

Überlegung 2: Wenn ja, was dann?

Überlegung 3: Wenn nein, was dann?

Zu Überlegung 1: Mir geht´s besser. Das Fieber ist weg, meinem Bauch geht´s auch besser, ich probier ein bisserl Weißbrot beim Frühstück. Davor lieg ich im Bett und schau am Handy wo ich bin, wie die Strecke weitergeht, was ich machen kann. Wenn ich das Rennen beende bin ich ja noch immer hier. Und hier ist ziemlich am A… der Welt bzw. von Irland. Ich muss da sowieso wegradeln. Hier bleib ich sowieso nicht. Hier ist nix, hier hilft mir niemand, hier ist es zu teuer. Da kann ich gleich auf der Route weiterradeln und das Rennen fortsetzen. Damit ist Überlegung 3 hinfällig. Juhu!

Zu Überlegung 2: Wenn ich auf der langen Route weiterfahr sind es 250 km zum Checkpoint. Der ist in einem Farmhouse. Dort gibt´s Essen und eine warme Schlafmöglichkeit – kostenlos. 250 km trau ich mir nicht zu. Aber! Und das trau ich mir schon zu – ich wechsle auf die kurze Route und schlepp mich knapp 200 km zum Checkpoint. Kurze Route heißt auch weniger Höhenmeter, das passt. Ich will ja gesund bleiben/werden. Also schreib ich eine Nachricht an unseren Rennleiter Adrian und gehe zum Frühstück. Ich halte das für eine gute Idee. War aber keine gute Idee.

Tag 5

Jedenfalls steig ich um ca. 9 Uhr auf Radl und es geht los. Langsam. Die ersten zwei Stunden sind eh ganz okay, dann hat das Frühstücksbrot den Magen passiert und hat den Darm erreicht und das war dann nicht mehr so lustig. Ich will da jetzt gar nicht so genau auf Detail eingehen, aber soviel sei verraten: es gab viele Pausen und ich hab Klopapier sowohl in trockener Ausführung, als auch in feuchter nachkaufen müssen. Ich kenn jetzt die Rückseite vieler irischer Gebüsche – wirklich sehenswert. Meine neue Challenge war nicht mehr zügig viele Kilometer und Höhenmeter runterzuspulen, sondern mindestens 2 km zwischen meinen „Reininsgebüschstopps“ zurückzulegen. Ist meistens gelungen. Gegessen hab i nix mehr, getrunken hab ich Wasser. Das war´s. So hab ich mich bis zum Abend zum Checkpoint geschleppt. Angekommen bin ich eher sehr kraftlos aber ich bin angekommen. Jetzt war wieder Zeit für Überlegung 1. Aber zuvor hat mich Ann, die Hausherrin im Farmhouse empfangen. Ann ist ein „Anngel“. Wegen meiner Magenprobleme hat sie mir eine Brandy eingeschenkt und eine Suppe gekocht. Während ich gegessen habe, hat sie mir im Nebenraum eine Matratze zum Schlafen hergerichtet und ein eigenes Bad mit WC hat sie mir ebenfalls zur Verfügung gestellt. Die anderen Teilnehmer haben sich das kleine Bad teilen müssen. Das war aber recht gut für mich, weil ich dann schon öfters in der Nacht recht plötzlich zum WC gerannt bin und es immer frei war. Vor dem Schlafengehen ist dann noch Adrian aufgetaucht – Ann ist seine Verwandte – Cousine oder so ähnlich. Von meiner Nachricht mit dem Wechsel zur kurzen Route hat er noch nichts mitbekommen, macht nix, ich hab´s natürlich persönlich deponiert – ist gar kein Problem hat er gemeint. Danke. Obwohl – hier am CP könnte ich recht gut das Rennen beenden. Da kann man angeblich mit dem Bus oder Zug weiterfahren. Der Brandy und die Suppe haben aber recht gut geholfen und ich hab vor, gemütlich auf der kurzen Strecke weiterzumachen. 200 km gehen immer und so passt das recht gut bis zur Finisherparty. Also schlafen, durch einige Klobesuche unterbrochen und in der Früh geht´s um ca. 7:30 Uhr weiter.

Ann bietet mir noch Frühstück an, aber ich esse nix. Die gebratenen Würstel sagen mir aktuell gar nicht zu, nein deren Duft beschleunigt meine Weiterfahrt.

Tag 6

Ich fahr dann mal gemütlich weiter. Recht bald organisier ich mir per booking ein Zimmer. Diesmal um 100 €. Billiger gibt´s da nix. Aber ich brauch unbedingt ein warmes Bett. Fit bin ich noch nicht. 200 km sollen es wieder werden. Das passt. Da kann ich recht gemütlich radeln. Einige Zwischenstopps sind ja auch wieder nötig. Aber es wird schon langsam besser. Der neue Plan heißt nicht mehr Rennmodus, sondern im Reisemodus radeln. Weniger Tempo, weniger Kilometer, mehr Pausen und Zeit zum Sightseeing. So seh ich die Klippen of Moher. Da wäre ich sonst vorbeigeradelt. Jetzt hab ich Zeit. Ich bleibe stehn, geh rauf und schau mir diese wunderbare Kulisse an. Großartig. Gut, dass ich a bisserl krank bin und mir das anschauen kann. Da hätt ich was versäumt denk ich mir. Und so denk ich mir das heute noch immer. Da kann man einfach nicht vorbeifahren. Die halbe Stunde muss man investieren. Hätte ich vermutlich aber nicht gemacht. So hab ich es gemacht, hab mir die Klippen angesehen, hab fotografiert, gefilmt und ich hab auch das sehr schöne WC besichtigt. Das nenn ich eine großartige Pause.
Weiter geht´s!

Ich erreiche mein Quartier, hab eine Dusche und wasch die Wäsche. Diesmal mit Seite. Das bringt gleich viel mehr. Vor allem für die Leute, denen ich begegne. Aber bevor ich ins Zimmer komme hab ich noch einen richtigen Adrenalinschub. Das war nämlich so: Ich radle eine Straße entlang und dann kommt da dieser Stier auf mich zu. Links und rechts ist keine Fluchtmöglichkeit. Der Stier geht eh gemütlich und einige (viele) Meter dahinter geht der Bauer. Ich hab trotzdem Angst. Was tun? Also erst einmal checke ich ob ich rot bekleidet bin – bin ich nicht. Alles gut und so nehm ich das Handy und filme. Also wenn Stierattacke dann auf Video! Ist ein bisschen verwackelt das Video. Aber egal. So, eigentlich war ich ja schon im Quartier.

Langsam geht´s mir besser. Ich esse bereits wieder ein bisserl Weißbrot. Aber nur wenig. Man will ja nicht übertreiben.

Jedenfalls steht am nächsten Tag die zweite und letzte Fährverbindung am Programm. Ca. 30 Minuten sind´s von meinem Quartier dorthin. Ich will die erste Fähre um 7:30 Uhr erreichen.

Tag 7

Um 6:45 Uhr geht´s los. Alles passt soweit. Bei der Fähre treffe ich einen weiteren Teilnehmer, ein Deutscher – netter Bursch. Er fährt die lange Strecke. Wir reden ein bisserl und frieren dann gemeinsam auf der kurzen Fährfahrt. Danach fahren wir weiter. Er will noch einkaufen, ich muss das nicht. Wasser hab ich und essen funktioniert nicht. Gleich nach der Fähre biegt er rechts ab – wahrscheinlich zu einem Geschäft, ich fahre nach links – das zeigt mir mein Garmin an – natürlich folge ich brav. War aber falsch, wie ich jetzt weiß. Damals wusste ich es nicht. Ich radle als dahin und dann kommen mir die Wegweiser schon sehr spannend vor. Da gibt´s nix mehr von Wild Atlantc Way, da steht immer Limerick. Dort muss ich nicht hin. Als raus mit dem Telefon und nachschauen. Ja, ich bin falsch. Ganz falsch. Ich drehe um um fahre fluchend zurück. Noch lauter werden meine Flüche als ich gleichzeitig mit der nächsten Fähre meine falsche Abzweigung erreiche. Hätte ich doch gleich eine Stunde länger schlafen können. So, jetz muss ich mich aber um meinen Garmin kümmern. Was ist denn da los? Ich weiß es bis heute nicht, vermute aber, dass er mich zum Startpunkt der kurzen Route navigieren wollte. Da hab ich in der Früh scheinbar was falsch gedrückt. Jedenfallsi ist für mich der Garmin schuld. Der ist gemein zu mir. Prinzipiell hatte er schon Glück, dass er nicht im Gebüsch gelandet ist. Und dann hätt ich ihm einen Radler mit Magenproblemen gewünscht, der genau bei diesem Gebüsch eine Pause einlegt. Das waren meine Gedanken. Hilft aber nix, ich brauch den Garmin noch. Aber Freunde sind wir nicht mehr geworden – sind wir noch immer nicht. Im Regen ist die Bedienung sowieso eine Katastrophe und es hat oft geregnet. Ich will da jetzt gar nicht mehr nachdenken, was der mich an Nerven gekostet hat, das eine mal, als er mir anzeigt, dass mein Profil gelöscht wurde, Hä, wieso, ich hab nix gedrückt. Es hat nur geregnet. So ein Schaß. So aus, nix mehr über den Garmin jammern, die Fahrt geht weiter und mir geht´s immer besser. Manchmal macht´s schon wieder sowas wie Spaß. Ich kann Weißbrot wieder problemlos essen. Suppe geht auch und mein Tempo wird wieder schneller. Es geht voran – trotz Garmin. Ich fahr über den Conor Pass – sehr schön. Also die Gegend, nicht das Wetter. Das ist richtig Irland. Starker Wind von vorne und Regen am Pass, weiter geht´s ins Black Valley. Auch schön. Es wird langsam dunkel – macht aber nix. Mir geht´s gut und ich fahr weiter. Heute hab ich kein Quartier gebucht. Ich wird schon was finden. Ist meine letzte Nacht. Morgen fahr ich ins Ziel – das ist fix. Das schaffe ich. Mir geht´s gut. Ich radle durch die Nacht, naja Abend, aber es ist recht finster. Bergauf funktioniert meine Dynamolampe nicht und ich hab nur ein ganz kleines Radllamperl als Alternative montiert. War ein Gedankenfehler. Ist aber so. Ich fahre nur ganz kleine, schmale Straßen und um ca. Mitternacht seh ich ein Schild neben mir. Ein sehr schönes Schild. Camping. Das ist perfekt. Da gibt´s einen Aufenthaltsraum und da schlafe ich. Den Aufenthaltsraum gibt´s so nicht, aber eine kleine Hütte mit einer Feuerstelle in der Mitte. Es sitzen noch zwei Leute drinnen. Ich schiebe mein Radl hinein und dann sind die beiden weg. Unterlagsmatte ausbreiten, Schlafsack raus, Zähne putzen und ab ins Bett. Der Regen setzt ein. Ist mir Wurscht, ich bin im Trockenen und kalt ist mir auch nicht. Das passt sehr gut so. Gute Nacht!

Tag 8

Das Beste ist, dass ich weiß – Susi ist ganz in der Nähe. Auf der anderen Seite vom Healy Pass ist sie am Campingplatz. Für mich war´s in der Nacht zu weit entfernt um hinzufahren, außerdem wollt ich dann nicht um ca. 2 Uhr unangemeldet in ihr Zelt kraxeln. Wer weiß, vielleicht hat sie einen Pfefferspray oder noch Schlimmeres. Nein, das wollt ich uns beiden nicht antun. Also Nachtruhe und dann am nächsten Tag über den Healypass. Ich wache durch den Handywecker auf und es regnet. Ich stell den Wecker um eine halbe Stunde später ein und bleib liegen. Um 6 Uhr sitz ich dann bei totalem Regen am Rad und es geht Richtung Healypass und dann drüber. Ob Susi schon auf ist, oder vielleicht schon wieder weitergegangen oder mit dem Bus gefahren. Ich weiß es nicht. Soll ich am Campingplatz vorbeischauen? Vielleicht gibt´s ja ein gutes Frühstück. Mit diesen Gedanken halt ich meine Motivation hoch, nein nicht hoch – eher am Leben. Sauwetter!

Unten am Healypass wartet dann wirklich meine Susi! Soooo cool! Freude pur. Kurze Pause und dann sitzt sie schon im Bus. Ganz knapp haben wir es noch geschafft uns kurz zu treffen. So ein Glück. Weiter geht´s. So schlecht war das Wetter noch nicht. Heute geht´s aber ins Ziel. Das ist klar. 270 km sind´s. Mir geht´s wieder gut und die 270 km sind sicher möglich. Also weiter geht´s. Das Wetter wird besser, irgendwann hört der Regen auf und am Nachmittag scheint tatsächlich die Sonne. Der Wind kommt von vorne. Passt schon. Am Ende geht´s dann 100 km Richtung Osten und da hab ich dann Rückenwind. Juhu!

Am Sheapshead holt mich Fionn ein. Der Bursche vom ersten Tag. Er fragt gleich, ob mein Garmin funktioniert. Tut er. Gemeinsam fahren wir weiter zum letzten Aussichtspunkt. Wir essen dort eine Suppe und freuen uns auf 100 km mit Rückenwind. Fionn wartet immer 20 Minuten nach dem Essen, ich fahre gleich los. Radfahren ist nicht schwimmen. Das geht sofort nach dem Essen. Nicht bei Fionn.  Später im Ziel wird auch er erzählen, dass ihm der Rückenwind gefehlt hat. Ja, weg war der Wind. Nix da Rückenwind. Eh schon egal, Hauptsache kein Gegenwind.

Als es dunkel ist erreiche ich das Ziel. Susi ist da und auch Adrian. Und tatsächlich gibt´s die am Start versprochene Umarmung von Adrian im Ziel. Alle versprochenen Dinge hat´s gegeben: Gegenwind, viel Regen und eben auch die Umarmung. Sehr cool – geschafft. Wir sitzen dann in seiner Ferienwohnung, ich bekomme eine Pizza und dann kommt auch Fionn an. Wird ein lässiger Abend und dann geht´s ab in unser Quartier. Ein warmes, weiche Bett und morgen ausschlafen. Sooo gut! TAW ist geschafft. Am Ende war´s zwar die kurze Strecke, was schon sehr schmerzt, aber anders war´s nicht möglich. Auch wenn´s mir am Ende wieder gut gegangen ist. Mein Popo schmerzt und noch einen Tag hätt ich nicht radeln können und wollen. Alles bestens. Übermorgen gibt´s die Finisherparty und ich bin dabei!